Straftaten im Inland als Ausbürgerungsgrund uneingeschränkt ausschließen

Der Landesvorstand der SPD wolle beschließen
Die Bundestagsfraktion wolle beschließen
Die SPD bekennt sich uneingeschränkt dazu, dass es keine Deutschen 1. und 2. Klasse gibt. Deswegen verbietet sich jeder Versuch, deutschen Bürger:innen Grundrechte vorzuenthalten, und jedem solchen Versuch von anderer Stelle muss entschieden entgegengetreten werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die betroffenen Personen eine einfache oder eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. Insbesondere positioniert sich die SPD in Bundesregierung und Bundestagfraktion, sowie, wo nötig, auf anderen Ebenen, entschieden gegen jeglichen Versuch, Bürger:innen, die sich im Inland strafbar gemacht haben, die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen.

Begründung
Laut Deutscher Presseagentur fordern Innenminister:innen der Union in einem Positionspapier, zu prüfen, ob Straftäter:innen im Bereich der organisierten Kriminalität die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen werden kann, wenn sie eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen. Hierüber berichteten diverse Medien übereinstimmend (Fußnote 1,2,3) Diese Forderung wird laut RBB von der Berliner CDU explizit unterstützt (Fußnote 4). Hierbei handelt es sich nicht um „Passentziehung“, wie sie in dem Fall vorgesehen ist, dass Reisen Deutscher ins Ausland unterbunden werden sollen – unabhängig von weiteren Staatsangehörigkeiten.

Neben Fällen, in denen auf die deutsche Staatsangehörigkeit aktiv verzichtet oder gegen diese optiert wird, benennt das deutsche Recht im Staatsangehörigkeitsgesetz §17ff (Fußnote 5) auch Fälle, in denen die Staatsangehörigkeit gegen den Willen der Person entzogen werden kann. Diese Fälle sind:

  • (i) Der ungenehmigte Erwerb einer Staatsangehörigkeit (in Ländern, mit denen Deutschland keinen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag hat)
  • (ii) Annahme als Kind durch einen Ausländer (unter diversen, sehr spezifischen Bedingungen)
  • (iii) Durch Rücknahme eines rechtwidrigen Verwaltungsaktes
  • (iv) Durch Eintritt in die Streitkräfte eines anderen Landes oder „konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland“

Der Passus zur Beteiligung an terroristischen Kampfhandlungen wurde dabei im Kontext der Kämpfer:innen des sogenannten „Islamischen Staates“ diskutiert (Fußnote 6) und schließlich trotz verfassungsrechtlicher Bedenken 2019 eingeführt (Fußnote 7). Dies kann ebenfalls kritisiert werden, für den vorliegenden Antrag ist jedoch entscheidend, dass Deutsche durch Handlungen im Inland und ohne Bezug zur Staatsbürgerschaft eines anderen Landes nie ihre deutsche Staatsbürgerschaft verlieren können. Im Falle des rechtswidrigen Verwaltungsaktes, also einer Erschleichung der Staatsbürgerschaft, ist die Handlung durch die Person noch im Status als Nicht-Deutsche:r begangen worden.

Nun nutzt die Union diese Forderung, um vor dem Hintergrund der Diskussionen um illegale Migration und sog. „Clankriminalität“ Politik zu machen. Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund israelfeindlicher und antisemitischer Straftaten in den Wochen nach dem terroristischen Großangriff der Hamas auf Israel am 7.10.2023 zu erwarten, dass diese Forderung in Teilen von Gesellschaft und Parteipolitik weiteren Rückhalt gewinnt. Dem gilt es entschieden entgegenzutreten. Selbstverständlich ist Antisemitismus in keiner Form hinzunehmen und die volle Härte des Gesetzes muss diesem Einhalt gebieten. Dies gilt ebenso für organisierte Kriminalität. Allerdings darf dies keinesfalls zu dem Preis geschehen, Bürger:innen mit doppelter Staatsbürgerschaft zu Deutschen 2. Klasse zu degradieren, denen bei Straffälligkeit der Pass entzogen werden kann. Gerade in einer Zeit, in der das Staatsbürgerschaftsrecht modernisiert und die Doppelstaatlichkeit bewusst erleichtert wird, wäre dies ein fatales Signal. Auch auf jegliche Art unliebsame Mitbürger:innen sind Deutsche und haben die vollen Rechte und Pflichten – unabhängig davon, ob sie zusätzlich eine weitere Staatsbürgerschaft haben. In einer staatsbürgerschaftlich diversen Gesellschaft ist es ein Gebot des guten Zusammenlebens und muss der SPD entsprechend ein Anliegen sein, an alle Deutschen mit doppelter Staatsbürgerschaft konsequent das Signal zu senden, dass sie uneingeschränkt zu Deutschland gehören.

(Beschluss des Kreisvorstands vom 20. November 2023)

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Fußnoten

(1) https://www.fr.de/hessen/gegen-kriminelle-clans-passentzug-und-abschiebung-hessische-union-fordertmassnahmen-zr-92483329.html
(2) https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/kriminalitaet-union-will-entzug-von-deutschem-pass-beiclankriminalitaet-pruefen/29356274.html
(3) https://www.merkur.de/politik/unionslaender-befuerworten-passentzug-bei-clankriminalitaet-zr92483101.html
(4) https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2023/08/berlin-passentzug-cdu-kriminalitaet-straftaten.html
(5) https://www.gesetze-im-internet.de/stag/__17.html
(6) https://www.sueddeutsche.de/politik/is-staatsangehoerigkeit-ausbuergern-1.4356014
(7) https://www.bmi.bund.de/DE/themen/verfassung/staatsangehoerigkeit/staatsangehoerigkeitsrecht/staatsan gehoerigkeitsrecht-node.html