Fotoigrafin: Kareen Kittelmann

“Klimaschutz bietet erhebliche finanzielle Einsparpotenziale”

Während in der Bundespolitik gerne abstrakt und manchmal auch altklug über die großen Themen der Zeit gestritten wird, sind es meistens die Kommunen, die konkrete Maßnahmen am Ende umsetzen. So auch beim Klimaschutz. Andy Hehmke (SPD), Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management in Friedrichshain-Kreuzberg, hat in seinem Zuständigkeitsbereich kaum leistbar Scheinendes zu lösen: Die Umstellung der bezirkseigenen Gebäude, also zum Beispiel von Schulen, auf erneuerbare Energien – inmitten von Fachkräftemangel und Geldnot.

Andy, als Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management bist du für die Unterhaltung, Sanierung und energetische Ertüchtigung des bezirklichen Gebäudebestands zuständig. Damit hast du in der Theorie einen wirksamen Hebel für den Klimaschutz – wie klappt das in der Praxis? 

In der Praxis ist in der Tat nicht alles so einfach wie in der Theorie. Was zum Beispiel unsere Handlungsmöglichkeiten im Bereich des baulichen Unterhalts angeht, gehören wir in Friedrichshain-Kreuzberg noch zu den wenigen Bezirken, die überhaupt die verfügbaren Mittel vollständig ausgeben und nichts liegen lassen. Auch bei den Investitionsmitteln und bei den Sonderprogrammen verbauen wir relativ viel. Das haben wir einer im bezirklichen Vergleich guten personellen Ausstattung im Hochbauservice und einer guten Zusammenarbeit mit dem Land Berlin zu verdanken – beides ist mitnichten selbstverständlich.

Als Bezirksstadtrat muss ich im Rahmen der Einschränkungen, die es nun mal gibt aufgrund von Fachkräftemangel und knappem Geld, auch innovative Wege gehen.

Hast du ein Beispiel?

Vor kurzem erst haben wir ein aus der Technischen Universität ausgegründetes Startup mit der Installation einer innovativen digitalen Heizkreissteuerung in unseren Heizungsanlagen beauftragt, zunächst als Versuch in neun Schulen. Vereinfacht könnte man sagen: Das System erkennt in den Gebäuden, in denen es installiert wurde, wie viel Wärme tatsächlich nachgefragt ist und passt die Heizleistung entsprechend an. Das war eine kleine, wenig aufwändige Maßnahme – dafür mit großer Wirkung. Die Investition hatte sich bereits nach einem Jahr amortisiert, und nicht nur das: Es ist zu erwarten, dass der Bezirk durch die Technik an den bisherigen Standorten dauerhaft einen sechsstelligen Geldbetrag spart – sowie 450 Tonnen CO2!  Nun rollen wir das deutlich weiter aus.

Hier zeigt sich übrigens etwas, was noch viel mehr in der Gesellschaft durchdringen muss: Investitionen in den Klimaschutz kosten Geld, bieten aber auch erhebliche finanzielle Einsparpotenziale!

Klimaschutz und Energieeffizienz – sind das zwei Seiten der selben Medaille?

Natürlich. Wir werden in den nächsten 15 oder 20 Jahren nicht alle unserer 305 Gebäude des Bezirksamtes durchsanieren und auf den baulich modernsten Standard bringen können. Dennoch gibt es viele Möglichkeiten, Ressourcen effizienter einzusetzen und damit am Ende CO2 zu sparen. Dies bezieht sich sowohl auf technische Maßnahmen als auch auf das Verhalten der Nutzenden in unseren Gebäuden, insbesondere in den Schulen, die den größten Anteil an unseren Immobilien ausmachen. Auch da ist noch Luft nach oben.

Was ist neben der energetischen Sanierung von Gebäuden am wichtigsten, um in diesem Sektor klimaneutral zu werden?

Ein ganz entscheidender Aspekt für den Gebäudesektor ist es, wann es gelingt, die Fernwärme klimaneutral zu machen. Nicht überall reicht die Wärmepumpe zum Heizen aus. Oft kann sie in sehr großen Gebäuden, z.B. in Schulen, der Gasheizung nur beigestellt werden. Aus meiner Sicht muss parallel zu den Sanierungen und den die Energieeffizienz steigernden Maßnahmen das Fernwärmenetz ausgebaut und die Produktion der Fernwärme klimaneutral werden. Das ist auch das Ziel des Senats, das deswegen auf Betreiben der SPD vor kurzem Vattenfall das Fernwärmenetz abgekauft hat.

Wenn wir die Klimaneutralität in der Fernwärme schaffen, wäre das für viele unserer Gebäude ein Quantensprung. Das spart am Ende mehr CO2 ein als die beste energetische Sanierung.

Welche Unterstützung gibt es neben der Bereitstellung von Investitionsmitteln vom Land Berlin für die Bezirke?

Besonders gut klappt die Zusammenarbeit mit den landeseigenen Berliner Stadtwerken. Im Rahmen eines Kooperationsmodells errichten diese Photovoltaikanlagen auf unseren Bezirksgebäuden und sie tauschen unsere Gasheizungen sukzessive durch Wärmepumpen aus. Gerade bei den Wärmepumpen müssen die Stadtwerke aber auch erst einmal die notwendigen Kapazitäten aufbauen. Gut, dass wir zu den ersten Bezirken gehörten, die die Dinge vertraglich fixiert haben. Andere Bezirke müssen etwas länger warten.

Werden wir mit den jetzigen Defiziten die Klimaschutzziele erreichen können?

Ich denke nicht täglich an die Zielerreichung in 15 oder 20 Jahren. Ziele sind sexy, sichtbare Schritte auf dem Weg zur Zielerreichung motivieren aber zusätzlich. Ich will, dass alles, was irgendwie geht, auch schnell in die Umsetzung kommt. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ist in vielen Bereichen beim Klimaschutz vorbildhaft. Dennoch werfen uns einige Faktoren in meinem Zuständigkeitsbereich derzeit zurück.

Woran fehlt es am meisten?

Zum einen ist die Haushaltskrise wieder da. Wichtige Investitionen werden nach hinten verschoben. Auch das vom Senat geplante Sondervermögen wird nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht oder nicht so kommen, wie es angedacht war. Dieses wäre aber eine wichtige Finanzierungsquelle für große Maßnahmen, insbesondere bei der Gebäudesanierung und der energetischen Ertüchtigung unserer Immobilien. Und der Fachkräftemangel schlägt auch in der öffentlichen Verwaltung zu. Teilweise dauert es sehr lange, bis wir in den planenden und bauenden Bereichen geeignete Fachkräfte für die freien Stellen finden. Und den Baufirmen geht es ähnlich.

Was ist dein Lieblingsprojekt, das du in deiner Arbeit verantwortet hast und dem Klimaschutz nützt?

Alle beschriebenen Maßnahmen sind wirksam und müssen weiter vorangetrieben werden. Es gibt kein Lieblingsprojekt bei mir. Am liebsten ist mir, wenn die Dinge vorankommen und nicht im bürokratischen Verwaltungs- und Zuständigkeits-Klein-Klein zerredet werden. Und Innovationen fördert man, wenn die Mitarbeitenden den Raum und die Möglichkeit bekommen, innovativ zu werden, auch jenseits des Korsetts der Verwaltungshierarchie und der jeweiligen fachlichen Zuständigkeit. Innovation erfordert eine moderne Führungskultur, die offen ist für neue Wege. Unsere Mitarbeitenden sind unsere wichtigste Ressource.

Andy Hehmke (SPD) ist Stadtrat für Schule, Sport und Facility Management im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Zuvor war er bereits Bezirksstadtrat für Wirtschaft, Schule, Sport und Ordnungsamt und lange Jahre Bezirksverordneter und Vorsitzender der SPD-Fraktion in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg.

Fotografin: Kareen Kittelmann