Was der Gender Pay Gap sagt

Endlich – der sogenannte Gender Pay Gap ist gesunken und ist erstmals unter 20 %! Das Statistische Bundesamt hat errechnet, dass Frauen im Jahr 2019 (errechnet Ende 2020) durchschnittlich 19 % weniger als Männer verdient haben. Dieser „unbereinigte Gender Pay Gap vergleicht allgemein den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Mithilfe des unbereinigten Gender Pay Gap wird auch der Teil des Verdienstunterschieds erfasst, der beispielsweise durch schlechtere Zugangschancen von Frauen zu unterschiedlichen Berufen oder Karrierestufen verursacht wird“, so das Statistische Bundesamt in seiner Pressemitteilung.

Wir begrüßen diese positive Entwicklung sehr, dennoch gibt es weiterhin viel zu tun, denn, wie auch das Statistische Bundesamt ausführt:

  • Der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen ist in Westdeutschland fast dreimal so hoch wie in Ostdeutschland,
  • Der Gender Pay Gap ist in Deutschland deutlich höher als im EU-Durchschnitt,
  • Männer verdienten in Deutschland 2018 durchschnittlich 4,37 Euro brutto mehr in der Stunde als Frauen,
  • 71 % des Verdienstunterschieds sind strukturbedingt, also unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen in schlechter bezahlten Branchen und Berufen arbeiten und seltener Führungspositionen erreichen,
  • 19% weniger sind 19% zu viel.

Außerdem ist der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap, der Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen mit vergleichbaren Qualifikationen, Tätigkeiten und Erwerbsbiografien, mit 6 %  unverändert.

An dieser Stelle möchten wir mit dem angeblichen „Mythos Gender Pay Gap“ aufräumen: Oft wird suggeriert, dass, da der bereinigte Gender Pay Gap bei nur 6 % läge, die Rufe nach gleichberechtigter Bezahlung aus Ecken von FrauenrechtlerInnen übertrieben und ungerechtfertigt seien; Frauen und Männer würden quasi das gleich verdienen. Diese Behauptungen verkennen jedoch, dass der unbereinigte Gender Pay Gap die Lebensrealität von Frauen darstellt und eben nicht auf individuellen Lebensentwürfen von Frauen basiert – und auch 6% reine Diskriminierung zu viel sind. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, schreibt:

„Viele Erklärungen der Lohnlücke gehen aber eben nicht auf freiwillige Entscheidungen von Frauen zurück, sondern sie sind das Ergebnis von Diskriminierung im Arbeitsmarkt – und das gilt auch für jene Faktoren, die im bereinigten Gender-Pay-Gap gar nicht mehr enthalten sind. So gibt es Belege dafür, dass Frauen nicht freiwillig auf Führungspositionen verzichten, sondern dass sie in einer männerdominierten Berufswelt größere Hürden zu überwinden haben. […] Auch wählen Frauen nicht freiwillig Berufe, die schlechtere Löhne zahlen. Sondern Studien zeigen, dass in Deutschland die Löhne in solchen Berufszweigen sinken, in die Frauen vordringen.

Und viele Frauen suchen sich eben nicht freiwillig aus, gar nicht oder nur wenige Stunden pro Woche zu arbeiten. Sondern es werden ihnen viele Hürden in den Weg gelegt, die es wenig attraktiv machen, überhaupt zu arbeiten oder mehr zu arbeiten.“

Dazu gehören schwierige Betreuungssituationen für Kinder, die sogenannte Teilzeitfalle, das Ehegattensplitting usw. Außerdem wird die oft unbezahlte sogenannte Care Arbeit, die meist den Frauen zufällt, bei höchster gesellschaftlicher und auch wirtschaftlicher Relevanz ökonomisch kaum anerkannt

Insofern weist der unbereinigte Gender Pay Gap auf die strukturellen Schwächen unseres Systems hin, welches Frauen strukturell benachteiligt und einen Einkommensrückstand der Frauen von 19 % im Vergleich zu Männern verursacht. Die Berechnung dieses Deltas ist also als Aufgabe an die Gesellschaft zu verstehen, diese strukturellen und mittelbar wirkenden Faktoren der Benachteiligung von Frauen zu beseitigen.

 

Quellen:

Statistisches Bundesamt: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/12/PD20_484_621.html

Fratzscher: https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-03/gehaltsunterschiede-gender-pay-gap-gleichberechtigung-diskriminierung-arbeitsplatz